Viele Regionen der Erde sind heute schon von großer Hitze und langen Dürreperioden betroffen. Durch die globale Erwärmung könnten aber auch in unseren Breiten die Kulturpflanzen zunehmend geschädigt werden und die Ernteerträge sich stark vermindern. Forschungen des Genetikers Prof. Friedrich Schöffl und seiner Arbeitsgruppe an der Universität Tübingen sollen nun als Grundlage dienen, um in Zusammenarbeit mit der Biotechnologie-Firma Planta GmbH Kulturpflanzen zu entwickeln, die gegen die wichtigsten Streßeinflüsse der Umwelt wie Hitze und Trockenheit unempfindlich sind. Schöffls Arbeitsgruppe entdeckte, daß Versuchspflanzen, deren Hitzeschockgene gentechnisch ständig zu zwanzig Prozent ihres Maximalwertes aktiviert werden, besser auf Umweltstreß vorbereitet sind und daher bei Streß besser gedeihen.
Wenn es Pflanzen zu heiß wird, können sie ihren Standort nicht einfach wie Menschen oder viele Tiere verlassen. Dennoch sind sie der Hitze nicht hilflos ausgeliefert, sondern besitzen einige Schutzmechanismen, die denen der beweglichen Lebewesen ähneln. Meistens schalten die Pflanzen zunächst die Wasserkühlung an. Sie ziehen verstärkt Wasser zur Verdunstung aus dem Boden, um die Temperatur in ihren Zellen zu senken. Denn bei hohen Temperaturen werden viele Zellproteine und Enzyme verformt oder schmelzen. Sie können ihre Funktionen dann nicht mehr erfüllen. Schließlich stirbt die Pflanze ab. Die Pflanzen verfügen jedoch über einen weiteren Schutzmechanismus, wenn das Wasser knapp ist oder die Wasserkühlung nicht ausreicht. Bei großer Hitze werden die in den Zellen stets vorhandenen Hitzeschockfaktoren (HSF) aktiviert. Die aktivierten Hitzeschockfaktoren binden an die Regulationsstelle der Hitzeschockgene und bewirken deren Ablesung. Diese Gene haben die Informationen zur Herstellung spezieller Schutzproteine ("Chaperone") gespeichert, die wiederum dafür sorgen, daß Zellproteine und Enzyme ihre normale Struktur beibehalten und auch bei Hitze weiterhin funktionieren.
Die Hitzeschockgene müßten eigentlich Streßgene heißen, weil manche nicht nur bei Hitze, sondern auch bei anderem umweltbedingtem Streß wie Trockenheit, hohen Salzkonzentrationen oder großer Kälte angeschaltet werden. Die maximale Produktion an Schutzproteinen erreichen die Pflanzen normalerweise erst mehrere Stunden nach dem Eintreten des Stresses - unter extremen Bedingungen kann die Pflanze dann bereits stark geschädigt sein.
Der Arbeitsgruppe von Prof. Schöffl an der Universität Tübingen ist es mit gentechnischen Methoden gelungen, die Hitzeschockfaktoren bei der genetisch gut erforschten Pflanze Arabidopsis thaliana (Acker-Schmalwand, Familie: Kreuzblütengewächse) so zu aktivieren, daß die Schutzproteine auch ohne Streßeinwirkung dauerhaft zu etwa zwanzig Prozent des Maximalwertes produziert werden. Damit ist die Pflanze bei einsetzendem Streß bereits geschützt und wesentlich widerstandsfähiger gegen Hitze und Trockenheit. "Selbst wenn der Energieverbrauch für die Herstellung der Schutzproteine einen gewissen Nachteil für die Pflanzen darstellt, könnte dies durch die erhöhte Streßresistenz wettgemacht werden", erklärt Schöffl.
In Zusammenarbeit mit der Planta GmbH hat sich die Arbeitsgruppe von Prof. Schöffl für die nächsten Jahre zum Ziel gesetzt, die Hitzeschockgene auch bei den wirtschaftlich wichtigen Kulturpflanzen wie Zuckerrübe und Raps aufzuspüren und wie bei Arabidopsis zur dauerhaften Produktion der Schutzproteine anzuregen. Alternativ wäre es auch denkbar, die veränderten Gene von Arabidopsis auf diese Kulturpflanzen zu übertragen. "Mit den genetisch veränderten Pflanzen sollen nicht unbedingt Rekordernten erzielt, sondern die durchschnittlichen Erträge auf einem höheren Niveau stabilisiert werden", sagt Schöffl. Die Gefahr, daß sich technisch veränderte Gene in der Natur selbständig weiter verbreiten könnten, hält er für gering: "Der Gentransfer auf Wildpflanzen oder andere Arten ist unwahrscheinlich und die veränderten Gene könnten sich in freier Konkurrenz kaum durchsetzen".
Schöffl gehört mit seiner Arbeitsgruppe der Amica Science EEIG an, einem Konsortium unter der Leitung des Max-Planck-Institutes für Pflanzenzucht in Köln und dem John Innes Centre in Norwich, Großbritannien. Im Auftrag der Euro- päischen Kommission koordiniert Amica die Zusammenarbeit von 130 europäischen Labors für pflanzliche Biotechnologie in einem molekulargenetischen Projekt für eine umweltverträgliche Landwirtschaft. Amica ermöglicht außerdem Kontakte zwischen den Forschungslabors und der Industrie.
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